Sucht ist keine Sünde…

Text mit freundlicher Genehmigung aus:
Manfred Lütz „Neue Irre! Wir behandeln die Falschen. Eine heitere Seelenkunde“, S. 127, Kösel Verlag 2020.

„Sucht ist keine Sünde. Wer sich etwas darauf zugutehalten möchte, nicht süchtig zu sein, der sollte wissen, dass es sogar einen nicht unerheblichen Erbfaktor gibt, für den niemand verantwortlich ist. Außerdem kann jeder Mensch in eine tragische Situation geraten, in der er mit süchtigem Verhalten reagiert. Es sind dann gerade die besonders sensiblen Menschen, die von Suchtmitteln abhängig werden. Süchtige strahlen oft mehr menschliche Wärme aus. Nicht selten sind sie feinfühliger als Normale, und es sind andererseits die 

hemmungslos Normalen, die mit ihrer rücksichtslosen Aggressivität Menschen in die Sucht treiben können. Auch wenn die Therapie sich sinnvollerweise auf die Verantwortung des Patienten für sein Verhalten konzentriert. Dieser Aspekt ist keineswegs die ganze Wahrheit. Und wer die anstrengende Lebensgeschichte mancher Süchtiger verfolgt hat, der kann nur Hochachtung vor den manchmal fast übermenschlichen Mühen dieser Menschen haben, die immer wieder scheitern und immer wieder neu anfangen.“